Faszien – das unterschätzte Sinnesorgan des Körpers - Teil 1
Michaela Altenberger,
Was hält den Körper wirklich zusammen? Können Faszien Erinnerungen speichern? Und warum spürt man manchmal so deutlich, wo Anspannung sitzt? Fragen wie diese führen in ein Gewebe, das lange unterschätzt wurde – die Faszien. Ein verborgenes Sinnesorgan, das weit mehr kann, als Muskeln und Organe zu umhüllen.
Faszien wurden lange Zeit kaum beachtet, heute rücken sie zunehmend in den Fokus der Forschung. Oft gilt die Vorstellung, sie seien nichts weiter als eine dünne Schicht, die Muskeln umhüllt und den Körper zusammenhält. Doch diese Sichtweise greift zu kurz.
Wer genauer hinsieht, erkennt: Faszien sind ein hochkomplexes, sensibles System. Sie sind nicht nur die „Verpackung“ von Muskeln oder Organen, sondern ein vielschichtiges Sinnesorgan, das Bewegungen koordiniert, Informationen weiterleitet und Erfahrungen speichert.
Das verborgene Netz im Körper
Faszien sind Bindegewebsstrukturen, die Muskeln, Knochen und Organe umhüllen und den gesamten Körper wie ein Geflecht durchziehen. Sie bestehen aus unterschiedlich dicht angeordneten Kollagen- und elastischen Fasern sowie Bindegewebszellen. Dieses fein abgestimmte Zusammenspiel verleiht ihnen sowohl Stabilität als auch Flexibilität.
Ihre Aufgaben sind vielfältig:
- Sie verbinden Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder miteinander und geben dem Bewegungsapparat Halt.
- Sie sorgen dafür, dass Kraft gleichmäßig übertragen wird und Bewegungen flüssig und effizient ablaufen.
- Sie umhüllen und stützen die inneren Organe, Blutgefäße und Nervenbahnen.
- Sie tragen zur Körperwahrnehmung bei und helfen, Stellung und Bewegung im Raum zu spüren.
So zeigt sich: Faszien sind weit mehr als eine Hülle – sie sind ein zentrales Bindeglied, das nahezu alle Prozesse im Körper beeinflusst. Um ihre Bedeutung zu verdeutlichen, lassen sich drei Kernaspekte hervorheben:
- Kommunikation
Faszien leiten elektrische Impulse weiter und sind aktiv an der Informationsübertragung beteiligt – vergleichbar mit Kabeln in einem hochsensiblen Netzwerk. - Gedächtnis
Bewegungsmuster, aber auch emotionale Eindrücke hinterlassen Spuren im Gewebe. Faszien erinnern sich an das, was der Körper immer wieder erlebt. - Verbindung
Als Schnittstelle zwischen Innen- und Außenwelt übersetzen sie mechanische und biochemische Reize für das Nervensystem und ermöglichen so ein feines Zusammenspiel von Körper und Umwelt.
Faszien lernen mit
Ein faszinierender Aspekt: Faszien sind formbar. Sie reagieren auf Gewohnheiten, wiederkehrende Belastungen – und sogar auf emotionale Zustände.
Ärger, Anspannung oder Sorge können sich im Gewebe verfestigen. Faszien im Kiefer, Brustkorb oder Becken ziehen sich zusammen und halten diesen Zustand fest. So werden Faszien zu einem Spiegel des Lebens. Sie machen sichtbar, was im Alltag oft unbewusst geschieht.
Ein Gewebe voller Potenzial
Faszien sind damit weit mehr als bloße Bindegewebsstrukturen. Sie sind ein Sinnesorgan, das Erinnerungen speichert, Informationen weiterleitet und die Beweglichkeit des Körpers prägt.
Wer mit diesem Gewebe arbeitet, entdeckt einen Schlüssel zu innerer Balance, zu geschmeidiger Bewegung und zu tiefer Gesundheit.
Dieser erste Teil legt die Grundlagen. Im zweiten Teil folgt der Übergang von der Theorie zur Praxis – mit einfachen Übungen, die spürbar machen, wie lebendig Faszien tatsächlich sind.